22. bis 24. März 2019 (Frankfurt am Main)
2019-03-22 - 2019-03-24
Exposé
Angelehnt an das berühmte Hamlet-Zitat
möchten wir uns auf der Jubiläumstagung 2019 mit einer Thematik
auseinandersetzen, die sich in der öffentlichen Debatte um Leitkultur und
Globalisierung ebenso abbildet wie in sehr individuellen intrapsychischen
Vorgängen zur Orientierung in einer zunehmend unübersichtlichen,
reizüberflutenden und wertbeliebig erscheinenden Zeit.
Ruft Hamlet seine Verzweiflung
angesichts der mentalen Instrumentalisierung durch den Geist des Vaters in das
Stück hinein, um seine Ambivalenz zwischen der realen und imaginativen
Wirklichkeit zu artikulieren, so leben Menschen und insbesondere unsere
Patient*innen und familiären Bezugssysteme in der Gegenwart zwar nicht in
Zwischenwelten, jedoch in Orientierungs- und Identitätsbildungsprozessen, die
sowohl überfordernd als auch destabilisierend wirken können. Auf der einen
Seite gibt es eine Pluralität von Lebensentwürfen, andererseits breitet sich
eine Polarisierung aus, die sich zwischen den Positionen »alles aus sich machen
können« und »selber schuld, wenn es nicht gelingt« bewegt.
Wie kann der Einzelne dabei seine
Identität finden? Wann werden Lebensentscheidungen getroffen und wie leicht
werden diese wieder aufgegeben? Dies alles begegnet Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut*innen, wenn Familie zerfällt, die Kinder Erlebtes nur
schwer verarbeiten können, und führt – insbesondere bei Jugendlichen – zu fragilen
Identitätsfindungsversuchen.
Postmoderne Risiken der
Identitätsfindung und die intergenerationale Reproduktion von äußerer und innerer
Ab- und Ausgrenzung fügen sich ein in eine rasante Modernisierung von Scheinwelten
– imaginative Identitäten in virtuellen Räumen, spirituelle Sehnsüchte und
Flucht in die Sucht sind scheinbare Lösungsansätze, sich sowohl der Entfremdung
zu widersetzen, als auch sich einer kohärenten Selbstfindung zu entziehen.
Kinder und Jugendliche verorten sich in Submilieus, als Versuch einer
Definierung über kollektive Abgrenzung. Geschlossene Kommunikationsgruppen in »sozialen«
Medien reduzieren die eigene Wahrnehmung und reproduzieren parallele
Scheinrealitäten. Die Aufhebung von Zeitfenstern, in denen bestimmte
Entwicklungsaufgaben zu meistern sind, führt zu immer späterer Autonomie oder
auch zu vorgerückten Herausforderungen. Generationengrenzen verschwimmen und
gesellschaftliche Normen verlieren ihre Trennschärfe. Geschlechtliche und sexuelle Diversität,
normabweichende Identitäten, brüchige Lebensläufe – was auch Eltern mit der
Herausforderung irritierter Rollenfindung konfrontiert.
Wie gehen Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut*innen mit diesen Diffundierungen um, was macht das
auch selbstreflexiv mit uns? Wie kann Identitätsfindung noch gelingen? Viele
Kinder und Jugendliche entziehen sich mit unterschiedlichsten Strategien dem
Druck: externalisieren, internalisieren oder flüchten. Angriff, Totstellen oder
Flucht – die urmenschlichen Reaktionen auf existenzbedrohenden Stress. Bewährte
und vertraute Normen scheinen zu verschwinden – aber sind sie das wirklich? Ist
das existenziell relevante Zugehörigkeitssystem Familie nicht bedeutungsvoller
als je zuvor – gerade angesichts transgenerational weitergegebener Stress- und Verarbeitungsmuster
? Wie können wir unsere Patient*innen und ihre Familien dabei hilfreich
unterstützen?
Als Auftakt zur Tagung wollen wir uns
am Freitag zunächst mit der eigenen Berufsidentität vor dem Hintergrund der
Psychotherapie-Ausbildungsreform befassen, die neue und noch unklare
Herausforderungen mit sich bringen wird, aber auch anlässlich des 25-jährigen
Bestehens des bkj die Perspektiven der Zukunft unseres Berufes diskutieren – mit
anschließendem Festakt!
Samstags und sonntags folgen
fachlich-inhaltliche Symposien, in denen aus zwei alternierenden Vorträgen eine
Auseinandersetzung der Referent*innen untereinander und mit dem Auditorium
entstehen kann, beginnend mit der soziologischen Analyse und einer
psychotherapeutischen Perspektive, fortgesetzt mit dem Fokus auf die allgegenwärtige
Angst und Verunsicherung der Identitätsentwicklung und der ihr gegenüberstehenden
Resilienz, die es ermöglicht, mit Gelassenheit und Anpassung zu reagieren. In
weiteren Workshops und Seminaren werden spezielle Fragestellungen vertieft,
auch um uns für die Anforderungen der postmodernen Entwicklungen besser rüsten zu
können. Nicht zu vergessen das dazugehörende Tagungsfest am Samstagabend – auch
ein wichtiger Beitrag zur Identitätsstiftung.
Termin:
22. bis 24. März 2019
Veranstalter:
Berufsverband der Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen (bkj)
Brunnenstraße 53
65307 Bad Schwalbach
info@bkj-ev.de
Weitere Informationen:
www.bkj-ev.de
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Psychosozial-Verlag: